Direktor Franz Küberl: 'Wir arbeiten, damit jene, die es brauchen, mehr Luft zum Atmen haben.'
Herr K. ist geschieden und hat zwei Kinder, die bei der Mutter wohnen. Das gemeinsame Haus musste nach der Scheidung verkauft werden, ein Kredit über 7.200 € ist noch offen. In den Wintermonaten war Herr K. arbeitslos, die Bezirkshauptmannschaft hat einen Vorschuss für den Unterhalt für die Kinder gewährt, da er nicht in der Lage war, diesen von seinem geringen Arbeitslosengeld zu begleichen. Nach Abzug aller Kosten bleiben ihm monatlich 124,40 € an frei verfügbarem Einkommen zum Leben, das ergibt einen Tagsatz von 4,15 €. Er ist als äußerst sparsam bekannt, beide Kinder sind oft bei ihm. Nun ist seine Waschmaschine kaputt geworden. In seiner Verzweiflung wendet er sich an die Caritas um Hilfe. Die Caritas zahlt über ihre Sozialberatung 250 € für den Kauf der Waschmaschine dazu und bringt Herrn K. dazu, einen Termin bei der Schuldnerberatung zu vereinbaren.
Herr K. ist einer von/Es sind rund 53.000 Personen, denen die Caritas im Jahr 2006 in ihren 103 Projekten und Einrichtungen in der Steiermark und in ihren Auslandshilfeprojekten in der ganzen Welt helfen konnte, die sie begleitete, betreute, pflegte oder denen sie, wie im Falle unserer rund 1.000 SchülerInnen, dabei half, im Rahmen einer Ausbildung einen guten Start ins Leben zu finden. (In dieser Zahl sind Doppelnennungen möglich, das heißt die gleiche Person kann bei zwei verschiedenen Einrichtungen der Caritas gezählt werden, wenn er/sie etwa in der Arche 38 oder im Haus Elisabeth schläft und mittags ins Marienstüberl essen geht.)
Die Caritas gibt es in der Steiermark als moderne organisierte Form der sozialen Hilfe der Katholischen Kirche seit nunmehr 83 Jahren. Mit dem vorliegenden „Bericht 2006“ wollen wir in einer offenen und verständlichen Art und Weise zeigen, in welchen Bahnen sich unsere Leistungen bewegen, welches Ausmaß sie annehmen und wie wir die Treuhänderschaft, die gemäß unserem Auftrag zwischen SpenderIn und Hilfesuchenden – Hilfebrauchenden (KlientIn) übernehmen, verstehen.
Die Caritas hat im Jahr 2006 durch ihre Leistungen auch an manchen Orten Reibung erzeugt: ob bei der Errichtung des Flüchtlingsquartiers in der Mitterstraße in Puntigam oder im Zusammenhang mit dem geplanten Bau des neuen Caritas Schulzentrums in der Grabenstraße. Manches von dem, was wir tun, bleibt nicht ohne Widerspruch. Aber wir sind zutiefst davon überzeugt, dass es konstruktive Lösungen gesellschaftlicher Konflikte gibt, wenn sich alle Seiten um ein Miteinander bemühen. Und natürlich muss auch die Caritas ihren Anteil dazu leisten. In der Mitterstraße war der Schlüssel zu einem Miteinander ein Paket aufmerksamer Umfeldarbeit um Sorgen von Anrainern zu minimieren – beim Schulzentrum war es ein Abrücken vom ursprünglichen Plan des Baus am Hasnerplatz und ein Zurückrücken in die Mitte des Grundstücks in Richtung Grabenstraße wie auch Verständigungsgespräche mit Anrainern. Der Spatenstich zu diesem neuen Schulbau wird übrigens am 4. Juli erfolgen.
Damit die Caritas weiterhin Brückenbauerin über die Abgründe von Not, Verzweiflung und Einsamkeit sein kann, braucht es das Zusammenwirken vieler Menschen. Angestellte MitarbeiterInnen, Ehrenamtliche, SpenderInnen, Menschen, die in der Kirche und in der Gesellschaft der Arbeit der Caritas an Brennpunkten des persönlichen Lebens wohlgesonnen sind. Danke, der Jahresbericht ist ein Spiegel dafür.
Die Caritas der Diözese Graz-Seckau kann nicht nur in menschlicher Hinsicht auf ein erfreuliches Ergebnis ihrer Geschäftstätigkeit im Jahr 2006 zurück blicken – wir konnten mehr Menschen betreuen und begleiten als jemals zuvor – erstmals seit rund zehn Jahren konnte auch in wirtschaftlicher Sicht wiederum ein positives Jahresergebnis verzeichnet werden. Das positive Ergebnis wurde aufgrund der guten Entwicklung aller Geschäftsfelder – vor allem im Bereich der Senioren- und Pflegewohnhäuser – sowie durch eine Erbschaft möglich. Gegenüber dem Vorjahr erzielten wir um fünf Millionen Euro mehr an Umsatzerlösen. So liegt der Umsatz nun bei rund 40 Millionen Euro. Die Spenden und Erbschaften sind von vier Millionen Euro auf rund 3,4 Millionen Euro gesunken. Dies ist auf den "Tsunami-Effekt" zurückzuführen, da im Jahr 2005 außergewöhnlich hohe Spendenmittel für Tsunami-Projekte eingegangen sind. Ganz besonders freut uns, dass Pfarrsammlungen und die Haussammlung im Ergebnis gehalten bzw. sogar verbessert werden konnten. So konnten die Mittel für Steirerinnen und Steirer in Not aus der Haussammlung von rund einer Million Euro im Jahr 2005 nochmals um etwa 50.000 Euro erhöht werden. Das Ergebnis der Kirchensammlungen blieb bei rund 330.000 Euro konstant, während bei der Augustsammlung von 300.000 auf rund 390.000 Euro deutlich zugelegt werden konnte.
Insgesamt machen die Spenden etwa zehn Prozent der Gesamterträge aus. Die Caritas ist im Kern weiter stark von diesen Spenden abhängig. Ohne sie wäre die Caritas in der konkreten Hilfe sehr kurzatmig. Wir könnten niemals mit der gleichen Schnelligkeit auf Notsituationen reagieren. Spenden müssen aber auch verwaltet werden. Diesem Thema haben wir in dem vorliegenden Jahresbericht breiten Raum geschenkt. Denn die Caritas hat sich zu der Selbstverpflichtung entschieden, dass nicht mehr als 7,5 Prozent der Spendeneingänge für Verwaltung und Werbung verwendet werden. Diese Quote wird jedes Jahr von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer kontrolliert und mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk in der Bilanz festgehalten.
Bei der Produktion des vorliegenden Jahresberichts 2006 haben sich einige zusammen gefunden, die es ermöglichten, dass wieder ein zeitgemäßes und ansprechendes Produkt präsentiert werden kann. Die Caritas dankt Harry Kouba für das grafische Konzept und die Umsetzung des Projekts, dessen Ausgangspunkt im Jänner eine Fokusgruppe aus JournalistInnen, SpenderInnen, Sponsoren, Politikern und HelferInnen der Caritas aus dem kirchlichen Umfeld bildete. Auch dieser Gruppe sei nochmals gedankt, wie auch unseren Sponsoren, die ermöglicht haben, dass die Druckkosten des auf umweltzertifiziertem Papier hergestellten Berichts zur Gänze abgedeckt sind.