Blinde Flecken in der Finanzierungsplanung der Altenpflege und -betreuung

Mathias Mühlberger,
Direktor der Caritas Oberösterreich:

Der Blick auf die Finanzierungsproblematik des Sozialsystems angesichts der bekannten Alterspyramide – Stichwort der alte Mensch als Kostenfaktor  - weist einige blinde Flecken auf. Die öffentliche Diskussion scheint das Allheilmittel nur in zusätzlichem Geld für Altenheime oder mehr Geld für Mobile Dienste zu sehen.
Tatsächlich existieren zwei (2 !) Pflegesysteme. Zum Einen das professionelle System der öffentlichen Hand und zum Anderen das „private Pflegesystem“. So fortschrittlich das oö. Sozialsystem in vielen Belangen im österreichischen Vergleich zu bewerten ist, so fehlt dennoch ein umfassendes Finanzierungskonzept für die Zukunft, das beide Systeme integriert.

Die Fakten zur Erinnerung:
140.000 Menschen in Österreich  sind  85 Jahre oder älter. 2035 sind es mehr
als dreimal so viel.  
Derzeit sind über eine halbe Million (540.000) Menschen in Österreich hilfs- und pflegebedürftig , 2030 werden es rund 811.000 sein ( trifft erst ab ca. 85 Jahren zu).
Oberösterreich: ein rascherer Anstieg des Anteils alter Menschen ist zu erwarten als im Bundesdurchschnitt. Aktuell sind laut Schätzung der Sozialabteilung in Oberösterreich rund 80.000 Menschen pflegebedürftig.
Die ethische Seite  - Lebensabend in Würde! – verlangt Absicherung der Finanzierung.
Der Ausbau der stationären und mobilen Betreuungs- und Pflegeangebote allein greift zu kurz.

2 wesentliche Aspekte dazu:
notwendige Investitionen in die Ausbildung von Pflegepersonal
die verstärkte Unterstützung von pflegenden Angehörigen
Verstärkte Unterstützung von pflegenden Angehörigen:
keineswegs eine Privatisierung des Problems, sondern Rechtssicherheit, Finanzierung und Wahlmöglichkeit & Kombination mit professionellen Diensten (z.B. Kurzzeitpflege).
80 Prozent der über 60-jährigen hilfs- und pflegebedürftigen Menschen werden von ihren Angehörigen betreut. Davon sind 80% Frauen.

Zur Diskussion:
psychosoziale Unterstützung derzeit pflegender Angehöriger ( erkranken häufiger, Burn Out etc.) fehlt sozialversicherungsrechtliche Absicherung (Pensionsversicherung, Anrechnung von Pflegezeiten etc.) fehlt
 Valorisierung des Pflegegeldes (keine Wertanpassung seit 8 Jahren!) sowie medizinisch korrekte Anpassung (z.b. hoher Aufwand für Demente etc.) .
 Achtung: Armutsfalle für pflegende Frauen wegen Teilzeit oder gar Aufgabe des Berufes etc. vermindert Berechnungsgrundlage für Pension oder verhindert Wiedereinstieg in den Beruf.
Aufgabe der Politik ist es, einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber herzustellen, dass dafür Finanzmittel bereitgestellt und Umschichtungen in den öffentlichen Budgets vorgenommen werden müssen.

Notwendige Investitionen in die Ausbildung von Pflegepersonal:
Mangel an Pflegepersonal ist nicht nur eine Frage der mangelnden Attraktivität der Pflegeberufe sondern es fehlen die Ausbildungsplätze. Potential vorhanden. Der Pflegeberuf ist zweifellos psychisch und physisch ein sehr belastender Beruf. Um das Image zu verbessern, muss daher nicht zuletzt der Hebel bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals angesetzt werden. Es müssen aber auch noch andere Barrieren beseitigt werden, die derzeit noch verhindern, dass Menschen diesen Beruf ergreifen.
Ein großes Potential liegt in BerufsumsteigerInnen und WiedereinsteigerInnen. Oft ist die Ausbildung aber gerade für diese Gruppe nicht erschwinglich.
Aus diesem  Grund ist auch eine Harmonisierung der Ausbildungskosten an privaten und öffentlichen Fachschulen für Pflegeberufe anzustreben. (z.B. Die Fachschule für Altendienste und Pflegeberufe der Caritas für Betreuung und Pflege in Ebensee kann nicht kostendeckend geführt werden, weil eine Erhöhung des Schulgeldes unzumutbar ist.).

Zur Diskussion:
Österreichweite einheitliche Berufsbilder und Ausbildungen für Sozialbetreuungsberufe sind soeben bundesweit („Harmonisierung“) beschlossen worden – ein erster gelungener Schritt!
Verstärkte Aufnahme von Unterrichtsfächern wie z.B. Gerontologie und von innovativen Pflegekonzepten
 Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit und damit Imageverbesserung Maßnahmen zu Verbesserung der  gesellschaftlichen Anerkennung
 
Josefine Mair,
Geschäftsführerin Caritas für Betreuung und Pflege

Die Caritas für Betreuung und Pflege bekennt sich zum Prinzip „Mobil vor stationär“. Dadurch ist der Bereich der Betreuungs- und Pflegearbeit in den letzten Jahren zur größten Sparte der Caritas in Oberösterreich geworden. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse in den unterschiedlichen Lebensphasen hat die Caritas mit einem entsprechend differenzierten Angebot reagiert. Allerdings wäre dringen die gesetzliche Verankerung der mobilen Angebote im Sozialhilfegesetz des Landes notwendig. Bisher ist dort nur das Recht auf einen Heimplatz abgesichert.

Der Personalstand hat sich innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppelt - derzeit sind 750 MitarbeiterInnen bei der Caritas für Betreuung und Pflege angestellt. Das Pflege- und Betreuungsverständnis beruht auf dem christlichen Menschenbild, dessen Grundlage die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen ist. Im Mittelpunkt der Pflege und Betreuung steht in einem ganzheitlichen Verständnis der alte Mensch mit seiner Lebensgeschichte, seinen Fähigkeiten und seinen individuellen Bedürfnissen (Biografiearbeit und ressourcenorientierter Ansatz).
"Miteinander - füreinander" ist ein Leitgedanke, den unsere MitarbeiterInnen in einem partnerschaftlichen Verhältnis mit den Betreuten und deren Angehörigen täglich in ihrer Arbeit in die Tat umsetzen.

Der erste Betreuungsbedarf kann in der Regel von den AltenfachbetreuerInnen und HeimhelferInnen der Mobilen Dienste abgedeckt werden. Sie kommen ins Haus und leisten Unterstützung, wenn der Alltag nicht mehr allein bewältigt werden kann. Nimmt das persönliche Sicherheitsbedürfnis zu, so kann das Betreubare Wohnen bereits an 7 Standorten in Anspruch genommen werden. Hier haben SeniorInnen die Möglichkeit, selbstständig zu leben und gleichzeitig die Sicherheit, dass Hilfe zur Stelle ist, wenn sie gebraucht wird. Betagte Menschen mit höherem Pflegebedarf erhalten in vier Seniorenwohnhäusern individuelle Pflege und Betreuung.
Auch in der letzten Lebensphase oder bei unheilbaren, chronischen Erkrankungen  gibt es eine Alternative zum stationären Aufenthalt. Das Mobile Hospiz Palliative Care deckt mit je 1 Stützpunkt mit haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen 6 Bezirke ab.

Österreichweit ist die Servicestelle der Pflegenden Angehörigen einzigartig. Angehörigen  in Linz werden Beratung sowie Erholungstage angeboten. Darüber hinaus fördert und begleitet die Servicestelle rund 20 Gesprächsgruppen für pflegende Angehörige in ganz Oberösterreich.

Stark zunehmend ist auch der Bereich der psychosozialen Nachsorge mit knapp 200 MitarbeiterInnen. Ausgehend vom Zentrum St. Bernhard greift auch hier der ressourcenorientierte Ansatz, sodaß je nach individuelle Fähigkeiten der Grad des selbstbestimmten Lebens mit entsprechenden Wohn- und Beschäftigungsformen auch dezentral ermöglicht wird.

Um die bestmögliche Qualität in der Betreuung und Pflege zu gewährleisten, braucht es fachlich gut ausgebildete MitarbeiterInnen, wobei zuerst die Zufriedenheit der betreuten Person unser Maßstab für die Qualität unserer Leistungen ist. Ausgehend von deren Bedürfnisssen wird das Qualitätsmanagement – Verfahren „QAP“ angewandt (Qualität als Prozeß). Es sichert einerseits die regelmäßige Auseinandersetzung mit den Qualitätsansprüchen unserer KundInnen, macht aber andererseits auch Vergleiche und damit eine Orientierung an Benchmarks der Pflege möglich.

Ein oberösterreichisches Spezifikum der Caritas sind eigene Fachschulen (mit Öffentlichkeitsrecht) und Lehrgänge. Für Pflegeberufe sind dies die Schulzentren in Ebensee und Linz (mit Familienhilfe), sowie die Hospizseminare. Damit kann schon während der Ausbildung auf die Qualität des zukünftigen Pflegepersonals Einfluss genommen werden. Auch der Pflegepersonalmangel trifft dadurch die Caritas etwas weniger.

Qualität zeigt sich auch in innovativen Projekten und Modellen, dazu zwei Beispiele:

2002 wurde von der Caritas für Betreuung und Pflege ein Modellprojekt gestartet: Das "Mobile Palliativteam mit Support- und Brückenfunktion" ist das erste seiner Art in Oberösterreich, Konzeption und Umsetzung sind österreichweit beispielgebend. PatientInnen, deren Angehörige sowie das Umfeld werden vom Palliativteam rund um die Uhr und kostenlos umfassend unterstützt. Das Team arbeitet dabei mit bestehenden stationären, teilstationären und mobilen Einrichtungen eng zusammen. Mittelfristig wird der Palliativgedanke in allen Caritashäusern umgesetzt sein.

Familienfreundliches MitarbeiterInnen – Modell in St. Anna: Das Seniorenwohnhaus St. Anna arbeitet mit einem „Wunschdienstplansystem“. D.h. der Jahresdienstplan liegt auf und MA können jene Zeiten eintragen, an denen sie nicht Dienst machen können. Da zusätzlich sehr viel an Teilzeitarbeit ermöglicht wird, ergibt sich eine hohe Verträglichkeit mit der Familienorganisation. Ebenso für die Motivation der MAInnen positiv ist die Organisation der Wohneinheiten in überschaubaren, kleinen Wohngruppen, durch die die Beziehungsarbeit gefördert wird.