Rasche Weichenstellungen für soziale Zukunft notwendig

Mathias Mühlberger,
Direktor der Caritas Oberösterreich:

Die Caritas agiert tagtäglich in einem Spannungsfeld: einerseits ist es ihr christlicher Auftrag, für Menschen in Not da zu sein und zu helfen, wenn Menschen in bestimmten Lebenssituationen Unterstützung brauchen. Für diese Hilfe brauchen wir aber auch die notwendigen finanziellen Mittel. Aus Spenden allein kann die Arbeit der Caritas nicht in dem Ausmaß geleistet werden, wie das notwendig wäre. Und soll sie auch nicht. Sozialorganisationen sollen und können den Staat nur in der Erfüllung seiner sozialen Verantwortung unterstützen.

Das Verhältnis zwischen Non-Profit-Organisationen und öffentlicher Hand sollte daher im Hinblick auf eine gemeinsame Gestaltung unserer sozialen Zukunft ein partnerschaftliches sein. Non-Profit-Organisationen erbringen wichtige Leistungen für die Gesellschaft. Leistungen, die man treffend als „social profit“ bezeichnen könnte. Hier zeigt sich allerdings deutlich, dass der Wert, der „social profit“ beigemessen wird, offensichtlich ein ungleich geringerer ist als der Wert von „economic profit“. Dabei müsste es umgekehrt sein: Soziale Leistung sollte an oberster Stelle der gesellschaftlichen Werteskala stehen. Denn nur sie garantiert letztlich Stabilität und ein lebenswertes Miteinander. Eine erfolgreiche Sozialpolitik ist aber dadurch auch Grundlage einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik und darf nicht isoliert betrachtet werden.

So ist zum Beispiel der Bereich der Sozialarbeit und Nothilfe der Caritas in Oberösterreich zum Großteil spendenfinanziert, der Finanzierungsanteil durch die öffentliche Hand jedoch unentbehrlich. Und gerade im Handlungsfeld der Caritas für Menschen in Not ist ein zunehmender Bedarf an Hilfeleistungen festzustellen.

Steigender Bedarf an betreuten Wohnplätzen für Menschen in Krisensituationen. So beobachten wir auch im Jahresbericht 2003 wieder einen deutlichen Anstieg der Anfragen nach betreuten Wohnplätzen: Im Haus für Mutter und Kind ist die Zahl der Bewerbungen um Aufnahme von 131 im Jahr 2002 auf 165 im Jahr 2003 angestiegen. Es stehen aber nur für 9 Frauen und deren Kinder Wohnplätze zur Verfügung. Das Haus für Mutter und Kind bietet zeitlich befristeten Wohnraum und Begleitung durch SozialarbeiterInnen für Frauen in Krisensituationen. Bei den Anfragen um Aufnahme zeigt sich außerdem, dass immer mehr jüngere Frauen in eine Situation geraten, in denen sie Unterstützung brauchen, um wieder Perspektiven für sich und die Kinder zu finden. Eigentlich wäre für diese jungen Frauen eine sozialpädagogische Begleitung rund um die Uhr nötig, kann aber aus Kostengründen im Haus für Mutter und Kind vorerst immer noch nicht angeboten werden. 

Ähnlich ist die Entwicklung in der Wohngemeinschaft für Haftentlassene, der WEGE in Wels. Von Jänner bis Juni diesen Jahres gab es in der WEGE 41 Bewerbungen um Aufnahme, um mehr als ein Drittel mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der WEGE stehen nur 10 Wohnplätze zur Verfügung, vier Klienten werden in externen Einzelwohnungen betreut. Gründe für den Anstieg der Bewerbungen sind unter anderem die steigende Zahl der Inhaftierten und andererseits die Schließung von Übergangsheimen der Bewährungshilfe. Ziel der WEGE ist es, strafentlassenen Menschen „Wege“ aus der Kriminalität zu eröffnen. Wenn Menschen nach der Haft ohne Wohnung, ohne Arbeit und ohne unterstützendes soziales Umfeld dastehen, ist die Wahrscheinlichkeit, wieder rückfällig zu werden, sehr hoch. Um dem steigenden Bedarf an betreuten Wohnplätzen zu entsprechen, wäre ein Ausbau der WEGE dringend erforderlich – 3 neue Wohnungen könnte ein Dachbodenausbau bringen. Allerdings würde auch dafür Mittel der öffentlichen Hand gebraucht. Angesichts der steigenden Anzahl an Inhaftierten und überfüllten Gefängnissen kann die Antwort der Politik nicht lauten, neue Gefängnisse zu bauen, sondern vermehrt in die Kriminalitäts-Prävention und Resozialisierung zu investieren. Dass immer mehr Menschen in Krisensituationen geraten, in denen sie längerfristige Hilfe brauchen, um wieder Fuß zu fassen, beobachten wir auch in unserem Sozialprojekt Hartlauerhof für Wohnungslose in Asten. Auch dort nehmen die Anfragen um einen betreuten Wohnplatz jährlich zu. Von 40 im Jahr 2003 stieg die Zahl 2003 auf 54 an.

Die Gründe für den hohen Bedarf an betreuten Wohnplätzen sind unterschiedlich, grundsätzlich spielen aber die hohe Arbeitslosigkeit, der Mangel an leistbarem Wohnraum und Lücken im Sozialsystem eine entscheidende Rolle. Menschen geraten in dieser prekären sozialen Lage rascher und tiefer in existenzielle Krisen, aus denen sie aus eigener Kraft nicht mehr herausfinden. Ein soziales Auffangnetz wird dadurch immer notwendiger. Die Finanzierung betreuter Wohnformen muss daher auch von Seiten der öffentlichen Hand sichergestellt werden bzw. in den Ausbau investiert werden, um den hohen Bedarf abzudecken.

In Oberösterreich sind wir in der glücklichen Lage, dass die Zusammenarbeit mit dem Land OÖ. tatsächlich auf einem partnerschaftlichen Verhältnis beruht. Es ist uns bewusst, dass der Einsparungsdruck des Bundes auch die Länder in Bedrängnis bringt. Den Sparstift im Sozialbereich anzusetzen, ist jedoch der falsche Weg. Die immer noch im Raum stehende 15-prozentige Kreditsperre des Landes OÖ. im Sozialbereich würde einige unserer Einrichtungen in der Nothilfe ernsthaft gefährden. Sie würde eine drastische Einschränkung des Angebotes für Menschen in Not nach sich ziehen müssen. So würde eine 15-prozentige Kreditsperre zum Beispiel für die Einrichtungen WEGE und Hartlauerhof bedeuten, dass insgesamt rund 27.300 Euro an Subventionen wegfallen. Einsparungen von Seiten der Caritas sind aber gerade auch bei den Wohn-Einrichtungen nicht mehr möglich, da schon jetzt sehr sparsam gearbeitet wird und viele Ehrenamtliche die Arbeit unterstützen. Problematisch für den laufenden Betrieb ist auch der späte Zeitpunkt der Entscheidung über die Verhängung der Kreditsperre. Wir brauchen eine rasche Entscheidung, da eine Budgetplanung ansonsten unmöglich wird.

Weichenstellungen in der Betreuung und Pflege alter Menschen dringend notwendig. Rasche Entscheidungen und zukunftsorientierte Weichenstellungen sind auch im Bereich der Betreuung und Pflege für alte Menschen notwendig. Auch hier ist hinlänglich bekannt, dass der Bedarf an Unterstützungsleistungen aufgrund der demografischen Entwicklung rasant ansteigen wird. Ein längerfristiges Finanzierungskonzept, das auch die Sicherstellung von Qualität und Menschenwürde in der Pflege mitberücksichtigt, wird aber von der Politik immer noch auf die lange Bank geschoben. Die Sicherstellung einer menschenwürdigen und wertschätzenden Betreuung und Pflege von pflegebedürftigen Menschen im Alter ist eine der vordringlichsten Aufgaben  unserer Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dafür ein tragfähiges Finanzierungskonzept auszuarbeiten, ansonsten laufen wir Gefahr, von der demografischen Entwicklung „überrollt“ zu werden.  Schlussendlich gibt es nur zwei Alternativen: entweder muss das Sozialbudget aufgestockt oder die Mittel umgeschichtet werden. Eine Umschichtung würde allerdings bedeuten, dass andere wichtige Unterstützungsleistungen am Sozialsektor nicht mehr ausreichend finanziert werden können.

Was wir brauchen, ist ein breiter gesellschaftlicher Konsens über Parteigrenzen hinweg zu den Fragen, die unsere Zukunft bestimmen werden: welche Gesellschaft wollen wir, was muss gesichert bleiben, wie kann eine soziale Zukunft finanziert werden.


Helmut Lenz,
Leiter Controlling der Caritas OÖ

Finanzierung der Caritas Oberösterreich
Die Arbeit der Caritas in Oberösterreich wird aus verschiedenen Mitteln finanziert: aus Kostenbeiträgen der öffentlichen Hand (2003: rund 60 %), privaten Leistungsabgeltungen (2003: rund 28 %), Beiträgen der Diözesanfinanzkammer (2003: rund 4 %) und Spenden ( 2003: rund 9 %). Die Herkunft der Mittel ist für die einzelnen Bereiche der Caritas-Arbeit durchaus von Bedeutung. Überwiegend aus Spenden finanziert ist der Bereich der Nothilfe im In- und Ausland. Ausnahme ist die Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, die ihre Leistungen großteils im Auftrag von Land/Magistrat anbietet. Die Kosten werden daher auch überwiegend von der öffentlichen Hand getragen. Fast zur Gänze aus öffentlichen und privaten Kostenbeiträgen finanziert sich der Dienstleistungsbereich. Die Institute Caritas für Kinder und Jugendliche, Caritas für Menschen mit Behinderungen und Caritas für Betreuung und Pflege bieten Dienstleistungen an, die teils von den KundInnen bezahlt werden, teils von der öffentlichen Hand.

Bilanz der Caritas OÖ. 2003
Nach zwei Jahren mit hohen Verlusten (2001 und 2002 jeweils ca. -2,0 Mio. EUR) wird für das Jahr 2003 ein Gewinn von +0,36 Mio. EUR ausgewiesen. Zwei Hauptursachen können für die doch beträchtliche Ergebnisverbesserung genannt werden: 
Durch höhere Erträge und die Realisierung von Einsparungspotentialen unter großer Anstrengung aller Caritas-Mitarbeiter ist es gelungen, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gegenüber dem Jahr 2002 um +1,73 Mio. EUR zu verbessern. Es ist zwar mit -0,47 Mio. EUR immer noch negativ, die nicht durch Investitionszuschüsse der öffentlichen Hand gedeckten Abschreibungen betragen aber nicht weniger als -2,65 Mio. EUR.  Ein Teil des besseren Ergebnisses ist allerdings auch auf die einmalige Auflösung einer Rückstellung zurückzuführen, dies wird in den kommenden Jahren in dieser Form nicht mehr möglich sein. Die Spenden sind vergleichsweise zwischen den Jahren 2002 (8,93 Millionen EUR) und 2003 (5,86 Millionen EUR) um 34 % zurückgegangen, dies ist bedingt durch die Hochwasserkatastrophe in O.Ö. im Jahr 2002, damals sind hohe Spendenmittel für die Hochwasserhilfe eingetroffen.

Personalentwicklung
Der Personalstand erhöhte sich gegenüber dem Jahr 2002 um 3,8%. Die größte Steigerung gab es im Institut Caritas für Betreuung und Pflege durch Aufgabenerweiterungen in den Mobilen Diensten und dem Wohn- und Betreuungszentrum St. Bernhard. Von den 1795 DienstnehmerInnen waren 791 MitarbeiterInnen voll- bzw. 1004 teilzeitbeschäftigt. Das Vollzeitäquivalent ergibt 1.329 MitarbeiterInnen.

Ausblick
keine Entspannung der Finanzsituation in Sicht. In Verhandlungen mit den Kostenträgern der öffentlichen Hand wird weiterhin versucht werden, eine Deckung der Vollkosten zu erreichen. Die Caritas der Diözese Linz prognostiziert aber in den kommenden Jahren keine entscheidende Entspannung der finanziellen Situation, da die Finanzierung des Dienstleistungsbereiches durch die öffentliche Hand als schwierig eingeschätzt wird (es sind weniger Bundesmittel für die Länder zu erwarten).