Mathias Mühlberger,
Direktor Caritas OÖ
Damit Integration kein frommer Wunsch bleibt, bedarf es neuer Wege und neuer Konzepte. Die Erweiterung von St. Isidor zu einem offenen Stadtteil würde bedeuten, einen Lebensraum so zu gestalten, dass gelebte Integration möglich wird.
„Behindert ist, wer behindert wird“, war der Slogan der Caritas im Jahr der Menschen mit Behinderungen im Jahr 2003. Dieser Satz bringt unsere Überzeugung zum Ausdruck: Selbstbestimmung, Integration und Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen sind möglich. Behindert wird die Realisierung im Alltag immer noch - nicht nur durch Barrieren im öffentlichen Raum, sondern vor allem durch Barrieren in den Köpfen. Der politische Prozess der gesetzlichen Verankerung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen dauert bereits viel zu lange. Dort, wo Integration gelingt und gelebt wird, ist sie eine Bereicherung für beide Seiten – Menschen mit und ohne Behinderungen. Integration bedeutet allgemein einen Gewinn für unsere Gesellschaft.
In St. Isidor, einem Standort der Caritas für Menschen mit Behinderungen, wird versucht, Kinder mit Beeinträchtigungen auf ein weitgehend selbstbestimmtes Leben innerhalb der Gesellschaft vorzubereiten. Durch umfassende heilpädagogische Förderung der Entwicklung und der individuellen Fähigkeiten, durch Hilfe zum selbständigen Leben und vor allem durch integrative Arbeit sollen die Kinder in das gesellschaftliche Leben hineinwachsen. Entscheidend ist dabei die Gestaltung des Lebensumfeldes. Nur durch die Integration der Kinder und Jugendlichen in eine Umgebung, wie sie andere Kinder auch vorfinden, kann die Zielsetzung letztendlich erreicht werden.
St. Isidor hat sich bis heute ständig gewandelt und weiterentwickelt: von einer Gruppe von Bauernhöfen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in eine „Waisenkolonie“ umgewandelt wurden, über das erste Kinderdorf Österreichs, ist es heute zu einem „sozialen Ort“ für Menschen mit Beeinträchtigungen geworden. Derzeit leben hier etwa 85 Kinder mit Beeinträchtigungen, weitere 200 werden im heilpädagogischen Hort und Kindergarten betreut. Etwa 400 SchülerInnen besuchen eine der drei Landessonderschulen am Standort.
Mit der strukturellen, räumlichen und pädagogischen Entwicklung einher ging auch zunehmende Öffnung des ehemaligen Kinderdorfes gegenüber der Umgebung. Der Wunsch, diesen Prozess der Vernetzung mit der Umwelt noch weiterzuführen, wurde seit der Gründung des Institutes Caritas für Menschen mit Behinderungen im Jahr 2000 immer deutlicher. Damals wurde die Idee geboren, St. Isidor zu einem „integrativen Stadtteil“ umzuwandeln. Bestätigt wurde der eingeschlagene Weg durch den Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik des Landes Oberösterreich, der die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen in den Vordergrund stellt und auf Selbst- und Mitbestimmung sowie Integration abzielt.
Die Umwandlung von St. Isidor in einen „integrativen Stadtteil“ von Leonding würde bedeuten, einen Lebensraum so zu gestalten, dass gelebte Integration möglich wird. Menschen mit und ohne Behinderungen könnten gemeinsam in unmittelbarer räumlicher Nähe und damit in einem gemeinsamen sozialen Umfeld leben. Der Standort würde als Wohnraum für Menschen ohne Behinderungen geöffnet und auf dem Areal von St. Isidor zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Die Kindergruppen von St. Isidor sollen verstreut in den Wohnhäusern untergebracht werden. Dadurch würde sozialer Austausch und die Teilhabe am Alltagsleben mit Erwachsenen und Kindern ohne Beeinträchtigungen ermöglicht. Die Schaffung von zusätzlicher Infrastruktur wie etwa Freizeiteinrichtungen, einem Cafe etc. könnte dazu beitragen, den neuen Stadtteil auch kommunikativ zu vernetzen.
Mit dem „integrativen Stadtteil“ könnte so ein zukunftsweisendes Modell gelebter Integration verwirklicht werden. Wir als Caritas werden unser Möglichstes tun, damit dieser Schritt in eine neue Zukunft von St. Isidor und vor allem in eine lebenswerte gemeinsame Zukunft für Menschen mit und ohne Behinderungen gelingen kann. Mein Dank gilt der Stadtgemeinde Leonding und Bürgermeister Dr. Herbert Sperl für die bewährte gute Kooperation und die Unterstützung bei der Umsetzung des neuen Konzeptes.
Dr. Herbert Sperl,
Bürgermeister Leonding
Leonding mit seinen fast schon 25.000 Einwohnern ist in 22 Ortschaften gegliedert. Noch vor Jahren war die Ortschaft St. Isidor ein in sich geschlossenes Gemeinwesen und im Gemeindeleben der Stadt kaum integriert. Erst in letzter Zeit wurde das „Dorf St. Isidor“ immer mehr der breiten Öffentlichkeit und somit auch der Leondinger Bevölkerung zugänglich gemacht.
Das heute vorgestellte Konzept sieht eine Totalöffnung des ehemaligen Kinderdorfes St. Isidor mit all seinen Nebeneinrichtungen vor. Demnach soll sich die Ortschaft St. Isidor in der Zukunft zu einem Ortsteil entwickeln, der durch den Neubau von Wohnbauten privater und genossenschaftlicher Bauträger eine natürliche Bevölkerungsdurchmischung erhält. St. Isidor wird sich demnach in seiner Struktur von den übrigen Ortschaften kaum mehr unterscheiden.
Die für die Neubauten notwendigen Straßen werden Verbindungen zu den bestehenden und geplanten benachbarten Verbauungsgebieten schaffen. Die vorhandene „grüne Lunge“ von St. Isidor soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und es ist geplant, einen großen Park direkt neu bis zur Herderstraße heranziehen. Letztendlich soll das Konzept dazu beitragen, das große im Umbruch befindliche Siedlungsgebiet des Harter Plateaus in seiner Wohnqualität noch attraktiver werden zu lassen.
Die Stadt Leonding steht diesem Projekt sehr positiv gegenüber und wird gemeinsam mit den Verantwortlichen von „St. Isidor“ versuchen, dass die vorgestellten Planungen auch tatsächlich umgesetzt werden können.