Stellungnahme zur Debatte über Armut und Krankenversicherung

Die Caritas weist die Kritik des Grazer Gemeinderats Thomas Rajakovics zurück, sie würde in Bezug auf die Armut in Österreich Panikmache betreiben und mit falschen Zahlen operieren.Die Zahlen, die die Caritas schon seit Monaten immer wieder veröffentlicht, stammen aus dem Sozialbericht der Bundesregierung. Darin tritt klar zu Tage, dass die Zahl der Menschen in Österreich, die in verfestigter Armut leben, in den letzten zwei Jahren von 300.000 auf 460.000 gestiegen sei. Dies ist ein Faktum. Zum ehemaligen Caritas-Mitarbeiter Thomas Rajakovics möchten wir weiters betonen, dass dieser nun ein Politiker sei und schon lange nicht mehr mit der Stimme der Caritas spreche. Aus der Sicht der Caritas hilft es daher nichts, wenn Politiker die Situation schön reden. Die Zahlen sind alarmierend, wenngleich außer Zweifel steht, dass die sozialen Standards in unserem Land noch immer sehr hoch sind. Aber die Caritas ist in ihrer praktischen Arbeit das ganze Jahr über mit Armut beschäftigt – nicht nur zu Weihnachten.

Das angeführte Beispiel einer allein erziehenden Mutter mit zwei Kindern ohne Job, die Sozialhilfe, Wohnbeihilfe, Familienbeihilfe sowie Mietzuschuss in der Höhe von insgesamt 1.553 Euro bzw. weitere Begünstigungen erhalten würde, sieht in der Wirklichkeit der Caritas ganz anders aus. In der Sozialberatung haben wir es ständig mit Familien und Einzelpersonen zu tun, die an oder unter der Armutsgrenze leben. Die Menschen, die sich an uns wenden, müssen mit wesentlich schlechteren Rahmenbedingungen auskommen, als die Frau in dem von Rajakovics geschilderten Fall. Im Jahr 2004 haben wir mehr als 1.600 Fällen in der Steiermark (darunter 410 Alleinerziehenden) geholfen und dabei ist uns niemand untergekommen, auf den die oben beschriebene Situation zutrifft. Denn in der Praxis gibt es oft sehr viele innere und äußere Hürden und Schwellen, die Menschen den Zugang zu sozialen Leistungen wie der Sozialhilfe erschweren. So scheuen etwa viele Menschen aus Angst vor möglichen Regressforderungen den Weg zum Sozialamt.

Zu den weiters erhobenen Vorwürfen jeder Mensch in Österreich bekomme beim Sozialamt einen Sozialhilfe-Krankenschein möchten wir unseren Erfahrung aus der Praxis zur Folge anführen, dass auch hier viele arme Menschen an der Schwelle zu den Behörden scheitern und ohne Krankenversicherung in Einrichtungen wie der Caritas Marienambulanz um medizinische Versorgung bitten. Gerade Menschen an oder unter der Armutsgrenze haben häufig mit einem Gefühl der Scham und der Angst vor Behörden zu kämpfen. Auch hier können wir beobachten, dass die Zahl derer, die sich ohne Versicherung an uns wenden, in den letzten Jahren weiter gestiegen ist. Denn wenn jemand krank ist und aus den verschiedensten Gründen keine Versicherung hat, sollte er zuerst die Möglichkeit haben, behandelt zu werden, ehe er sich um die Kostendeckung kümmern muss. Allerdings möchten wir festhalten, dass die Zahl der in den Medien immer wieder transportierten 160.000 Personen, die in Österreich ohne Krankenversicherung sind, nicht von der Caritas veröffentlicht wurde. Dabei handelt es sich um eine Zahl aus einem Bericht des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2003. Diese Zahl gilt nach dem Abschluss der Bund-Länder-Vereinbarung über die Grundversorgung von AsylwerberInnen von 2004 als überholt. Die Caritas geht derzeit von rund 100.000 Personen ohne Krankenversicherung in Österreich aus.

Ganz wesentlich erscheint uns in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer aktiven Information seitens der öffentlichen Stellen. Denn die Behörden haben zwar den Auftrag, alle Menschen über das Recht auf Krankenschein und Sozialhilfe zu informieren, gleichzeitig aber haben sie auch den Auftrag zu sparen. Daraus ergibt sich in der Praxis eine Spannung, die leider derzeit oft auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird.