Wo der Markt versagt, ist der Staat gefordert!

Abschlusskonferenz 'ifap - Aktive Integrationspolitik für arbeitsmarktferne Personen'

Das von der Europäischen Union finanzierte und von Caritas und ÖSB Consulting durchgeführte Projekt IdA „Integration durch Arbeit“ hat in den vergangenen zwei Jahren dafür gute Belege geliefert. Umfangreiche Recherchen – national und international – haben jetzt weitere wichtige Hinweise geliefert, wie Frauen und Männern, die von Sozialhilfe, Notstandshilfe oder vielfach sogar ohne jegliche öffentliche Unterstützung ihr Dasein fristen müssen, wieder eine Chance auf würdige Gegenwart und Zukunft haben. Die heutige Abschlusskonferenz zu ifap – einem vom Land in Auftrag gegebenen Rechercheprojekt zur „aktiven Integrationspolitik für arbeitsmarktferne Personen“ zeigt einerseits Hintergründe der tristen Lage von Betroffenen auf – etwa deren Fähigkeiten bzw. Schwierigkeiten in Bezug auf die Notwendigkeit, regelmäßige Arbeitsleistung im Erwerbsleben vorweisen zu müssen sowie andererseits gegenwärtige und künftige Herausforderungen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Wie wichtig dieses Thema gerade jetzt ist, zeigen uns steigende Arbeitslosenzahlen, steigende Anträge um Unterstützung auch bei der Caritas: Unterstützung heißt in sehr vielen Fällen bei uns: Soforthilfe, wenn der Hut brennt, die Miete nicht mehr bezahlt werden kann, das Geld für Lebensmittel sogar zu knapp ist und Schulsachen für die Kinder nicht mehr leistbar. Unterstützung heißt genauso: menschliche Hinwendung, individuelle Beratung, den Blick auf die ganze Misere, in denen Hilfe suchende gefangen sind. Jegliches Bemühen, (wieder) im Erwerbsleben Fuß fassen zu können, ist dabei besonders wichtig. Beschäftigungsprojekte für Frauen, Männer und Jugendliche gewinnen daher im Rahmen der steirischen Caritas-Arbeit zunehmend an Bedeutung.

Im vergangenen Jahr haben an sieben Beschäftigungsprojekten insgesamt 149 Frauen und 83 Männer teilgenommen. Mehr als die Hälfte von ihnen konnten danach eine Anstellung finden. Wir sehen, dass die Nachfrage an dieser Form der Caritashilfe ständig steigt: Gab es 2003 noch 153 BewerberInnen, so waren es 2004 bereits 220. Für heuer ist der Trend noch einmal steigend. Zu unseren Infotagen kamen vor etlichen Jahren etwa 30 Interessenten. Heute sind es 60 bis 90 Personen, die wir bei diesen Gelegenheiten eingehend beraten müssen. Einerseits ist die hohe Arbeitsbereitschaft der Teilnehmer positiv. Andererseits ist der Bedarf natürlich erschreckend hoch!
Arbeitslosigkeit ist in Österreich der Armutsfaktor Nummer Eins. Je länger jemand aus dem Erwerbsprozess draußen ist, desto schwieriger kommt er wieder hinein. Ganz extrem zeige sich das am Beispiel der Sozialhilfe-EmpfängerInnen oder jener, die gar keine öffentliche Unterstützung bekommen. Große finanzielle Sorgen und ein angeschlagenes Selbstwertgefühl, das nicht selten in Rückzug und Depression führt, sind die Folgen. Eigene Anstrengungen alleine reichen selten aus, um das Bündel von Schwierigkeiten, das Erwerbslosigkeit nach sich ziehen kann, aufzulösen.
Wir wissen: Fehlt der familiäre Rückhalt, der Freundeskreis oder die existentielle Grundlage einer bezahlten Beschäftigung, dreht sich die Spirale zu schnell weiter, um ohne die Hilfe anderer etwas zu verändern. Und diese Spirale dreht sich derzeit besonders schnell. Der aktuelle Bericht zur sozialen Lage in Österreich untermauert, was wir in unserem Arbeitsalltag feststellen: Die Armutsgefährdung wächst. Sie frisst sich langsam in den Mittelstand hinein und sie trifft natürlich jene ganz besonders hart, die aufgrund von psychischer Labilität, schlechter Ausbildung und/oder fehlendem Rechtsanspruch auf Sozialleistungen (etwa bei Frauen mit zu wenig Versicherungszeiten) in das gesellschaftliche Outback fallen.

Gesamtkunstwerk Mensch
Genau hier ist dann die Caritas besonders gefordert: Probleme erkennen und benennen, Menschen so annehmen können, wie sie sind, das heißt: Respekt haben, auch wenn jemand ganz unten ist; zuhören, gemeinsam nachdenken und dann entsprechend handeln. Rechtliche Beratung zählt hier ebenso dazu wie Hilfe in den Familien, wenn ein plötzlicher Schicksalsschlag eintritt oder die Anforderungen aufgrund einer Vielzahl von Schwierigkeiten zu groß werden.

Ein durch regelmäßige Beschäftigung strukturierter Alltag ist in unserer „Arbeitsgesellschaft“ wesentlicher Kern, damit Menschen, die am Boden liegen, wieder aufstehen können, sich in den Spiegel schauen und anderen auf gleicher Augenhöhe begegnen können.
Integration durch Arbeit „IdA“ ist ein weiteres, ganz besonders Projekt, das auf diese Weise besonders benachteiligten Menschen hilft.
119 Personen haben zwischen Mai 2003 und Dezember 2004 in Hartberg, Voitsberg und Knittelfeld daran teilgenommen. Diese Frauen und Männer über-lebten mit Sozialhilfe; ein Viertel der Teilnehmer hatte gar keine Bezüge. Durch stundenweise Tätigkeiten in Unternehmen sowie durch in den Regionen entwickelte Eigen-Initiativen (z.B. Jausenservice an Schulen und öffentliche Institutionen in Hartberg und Knittelfeld) fanden diese Menschen wieder Boden unter den Füßen.
Das erstaunliche auch hier: Unsere Erwartungen, wie viele der TeilnehmerInnen später einer regulären Beschäftigung nachgehen können, wurde haushoch übertroffen. Hofften wir zu Beginn des Projekts auf eine Vermittlungsquote von einigen wenigen Prozent, so waren wir beeindruckt, dass 20 Prozent dieser besonders schwer vermittelbaren KlientInnen sogar bereits nach einigen Monaten bei IdA in den ersten Arbeitsmarkt einsteigen konnten.

Ein Fazit: Aus diesem Pilot-Projekt sollte jetzt ein sinnvolles und die Probleme anpackendes Modell für die Integration von erwerbsfernen Personen hervorgehen. Denn jede und jeder, der nach jahrelanger Isolation und Regression wieder ein Stück vorwärts kommt und dazu Starthilfe braucht, ist es wert, diese auch zu erhalten!

So wie wir mit IdA in der Steiermark österreichweit sicher Vorbildcharakter haben, genauso können wir aus den Erfahrungen anderer Länder profitieren. Gerade unsere nordischen EU-Partner sind hier beispielgebend. Ifap hat in der Steiermark, in Österreich, in Deutschland und in Skandinavien recherchiert.

Einige Ergebnisse die uns zu Denken geben sollten:


Maßnahmen, die bei der Integration von arbeitsmarktfernen Menschen helfen:
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Zusammenrücken von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik „one desk“ – Prinzip: Damit Menschen nicht im Kreis geschickt werden, braucht es klare Verwaltungsstrukturen, 1 Ansprechstelle, die abklärt, welche Schritte für die Betroffenen notwendige sind. (Beispiel Finnland)
- Dezentrale Administrierung der Kompetenzen d.h. auch stärkere Beachtung der regionalen Voraussetzungen. Bei IdA haben wir ganz klare Unterschiede bei den jeweiligen Standorten. Während in Voitsberg vor allem Menschen mit psychischer Belastung schrittweise wieder in den Arbeitsalltag hineinwachsen, sind wir etwa in Hartberg mit enormen Mobilitätsproblemen der Teilnehmer konfrontiert. Bei diesem Punkt ist darüber hinaus klar darauf hinzuweisen, dass der momentane Ermessensspielraum der lokalen Behörden derzeit in unserem Bundesland sehr restriktiv gehandhabt wird. Nicht jeder oder jede, die von Gesetz wegen Anspruch auf Sozialleistungen hätte, bekommt diese auch. Nicht selten werden Personen weggeschickt, mit der Begründung: sie haben 2 gesunde Hände zum Arbeiten – in Regionen, in denen bereits gut ausgebildete Arbeitskräfte schwer einen ausreichend bezahlten Job finden können, ist das für Menschen mit zusätzlichen Handicaps ein mehr als zynischer – nämlich ein aussichtsloser Rat, sich um sich selbst zu kümmern.
- Multidisziplinäre Projekte: enge Kooperation zwischen Arbeitslosen-Hilfe und Schuldnerberatung etwa bzw. individuelle Sozialberatung.
Nur so können wir zu einer „Gesamtsanierung“ bedrohter menschlicher Existenzen beitragen. Es ist eindeutig zu wenig, wenn wir nur an einem Eck anfangen. Wir müssen so viele Knoten wie möglich auflösen.
Existenzsicherung durch Arbeit – Schuldenregelung – Gesundheitsförderung – emotionale Stabilisierung gehören einfach zusammen!
Eine erste und rasch umsetzbare Strategie, die wir sofort bei uns hier in der Steiermark ins Auge fassen können, ist eine künftig viel engere Kooperation zwischen AMS, Sozialressort des Landes und dem Wirtschaftsressort in der aktiven Förderung von Integrationsprojekten für arbeitsmarktferne Personen.